„Zeugen der Shoah“: über 50.000 Zeitzeugen-Interviews für die schulische Bildung
Freie Universität stellt erstmalig deutsche Version von digitalem Video-Archiv vor
Die Freie Universität Berlin hat heute erstmals das multimediale Archiv-Projekt „Zeugen der Shoah. Das Visual History Archive in der schulischen Bildung“ vorgestellt. Das von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB) geförderte Projekt eröffnet Schülerinnen und Schülern in Deutschland den Zugang zu über 50.000 Video-Interviews mit Zeugen des Holocaust und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an die Opfer und zur Bildung über die NS-Zeit. „Das Anliegen mei-nes Lebens ist, anderen und vor allem jungen Menschen das, was ich erlebt habe, möglichst nahe zu bringen“, sagte Inge Borck, die als einzige ihrer Familie die NS-Zeit überlebt hat, und betonte weiter: „Gemeinsam müssen wir die Verantwortung tragen, dass ein derartiges Grauen niemals wieder möglich sein kann. Daher finde ich das Projekt der Freien Universität wegweisend für eine positive Gemeinsamkeit.“
Die Freie Universität fördert mit weitreichenden multimedialen Archiv-Projekten die Forschungs- und Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus, zum Holocaust und zu Formen der Erinnerung. Seit 2006 ermöglicht sie als erste europäische Institution den Vollzugriff für Wissenschaft und Forschung auf das „Visual History Archive“ des USC Shoah Foundation — The Institute for Visual History and Education der University of Southern California, das ursprünglich von Steven Spielberg initiiert wurde. In Lehre und Forschung an der Universität wird das unschätzbar wertvolle und umfangreiche Archiv seitdem intensiv genutzt.
Mit der Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin verwirklicht das Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität nun die Erweiterung des „Visual History Archive“ speziell für die schulische Bildung. Neben der Bereitstellung der bisher ausschließlich englischsprachigen Plattform des digitalen Archivs auf Deutsch ist die bereits erfolgte Einrichtung eines Computerraumes für Schülerinnen und Schüler ein wesentlicher Bestandteil des Projekts. Darin können vor allem Schulklassen aus Berlin und Brandenburg betreut durch erfahrene Wissenschaftler und Pädagogen mit dem Archiv vor Ort arbeiten. „Ziel unserer Bemühungen ist es, die Arbeit mit den lebensgeschichtlichen Erzählungen nachhaltig in den Schulunterricht über den Nationalsozialismus zu integrieren“, erklärte Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl, Erste Vizepräsidentin der Freien Universität. „Nichts kann eine Epoche oder ein historisches Ereignis eindringlicher dokumentieren als eine persönliche Schilderung der erlebten Geschichte.“
„Die deutschsprachige Oberfläche des „Visual History Archive“ wird die Nutzung der Zeitzeugenberichte als Grundlage für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Deutschland erleichtern. So kann das Projekt als Vorbild für ähnliche Vorhaben gelten“, sagte Kim Simon, Interim Executive Director and Director of Programs des USC Shoah Foundation bei der Präsentation in Berlin. „Unser Institut ist der Freien Universität dankbar für ihre Pionierarbeit auf diesem Gebiet und ihre Entschlossenheit, das Archiv für die schulische Bildung in ganz Deutschland nutzbar zu machen.“
Damit Schülerinnen und Schüler das digitale Archiv optimal nutzen können, realisiert CeDiS nicht nur die deutsche Version der Plattform, sondern erweitert diese auch um unterrichtsrelevante Funktionen wie eine neue Volltextsuche. Hierfür werden Transkripte von rund 2000 Interview-Stunden erstellt. „Zusätzlich binden wir interaktive Web 2.0-Elemente ein, sodass das Lernen für die Schüler attraktiver wird und sie scheinbar nebenbei wichtige Kompetenzen im Umgang mit Neuen Medien und Internet erwerben“, verdeutlichte CeDiS-Leiter Prof. Dr. Nicolas Apostolopoulos. Weitere Angebote umfassen Fortbildungen für Lehrkräfte, Unterrichtsmaterialien und eine Lernsoftware, die das Projektteam in Zusammenarbeit mit Fachdidaktikern der Freien Universität und dem Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) entwickelt. Für die bundesweite Nutzung entsteht eine DVD-Reihe mit ausgewählten Interviews, die 2010 fertiggestellt sein wird.
Betreuungen von Schulklassen an Projekttagen sind an der Freien Universität bereits seit Herbst 2008 möglich. So haben auch schon mehrere Schulklassen aus Berlin und Brandenburg mit dem „Visual History Archive“ vor Ort gearbeitet. Aus dieser Erfahrung berichtete Dr. Martin Lücke, Lehrer und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Didaktik der Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut: „Das Interesse der Schüler war bemerkenswert hoch, und obwohl die Beschäftigung mit den Video-Zeugnissen für sie einen besonders hohen Arbeitsaufwand bedeutete, war die Lernmotivation beachtlich. Das Archiv ermöglicht Schülerinnen und Schülern eine direkte und unmittelbare Begegnung mit konkreten Lebensgeschichten von Überlebenden der Shoah, sodass sie die Grausamkeiten des Nationalsozialismus viel besser begreifen können.“
Weitere Informationen und eine Übersicht der konkreten Angebote für die schulische Bildung: www.zeugendershoah.de
Kontakt:
Katja Egli, Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität Berlin, Presse- und Öffentlich-keitsarbeit, Tel.: 030/838-52775, mobil: +49 (0)170/7818424, E-Mail: kegli@cedis.fu-berlin.de
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